Sollten die Kommunen nach dem Opt-In-Verfahren beteiligt werden, bleibt zu hoffen, dass die Bürger*innen gezielt den Wunsch nach Informationsfreiheit in den Kommunen forcieren und die entsprechenden Kommunen auch in Zukunft teilnehmen.
Mehr Demokratie e.V. vertritt eine abweichende Position. Im Sinne dezentraler Demokratie ist das Opt-In-Verfahren hinsichtlich des Transparenzregisters zu begrüßen, da eine Gemeinde mit 12.000 Einwohner anders als Landkreise und Großstädte zu bewerten sind.
Bereichsausnahmen
Aber nicht nur die Kommunen, auch viele Teile der Landesverwaltung können sich erfolgreich gegen mehr Transparenz sperren. So sind etwa große Teile des Landtags selbst, der Hochschulen und Schulen, des Landesrechnungshofs, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der Gerichte und Finanzbehörden vom Gesetz ausgenommen (§3 Abs. 3). Auf den Landesverfassungsschutz wird das Gesetz, wie auch in Bund und den meisten anderen Bundesländern, überhaupt nicht anwendbar sein. Wir fordern daher die Bereichsausnahmen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
Ein Beispiel zeigt sich bei den Bildungs-, Prüfungs- und Forschungseinrichtungen. Hierbei sind insbesondere Hochschulen, soweit sie im Bereich von Forschung, Lehre, Unterricht und Prüfungen tätig sind, von dem bisherigen Entwurf ausgenommen (§3 Abs. 3). Gerade der Bereich „Herkunft der Drittmittel in der Forschung“ wird mit dem Entwurf ausgeblendet und bleibt weiter im Dunklen. Vollständig sind die fünf Stiftungshochschulen (Göttingen, Hannover, Hildesheim, Lüneburg und Osnabrück) von der Pflicht ausgenommen, Sponsoringleistungen, Werbezuwendungen, Spenden und mäzenatische Schenkungen einer Geberin oder eines Gebers mit einem Wert ab 1.000 Euro im Kalenderjahr auszuweisen (§12 Abs. 1 u. §12 Abs. 3 Satz 3).
Es ist deshalb heute im öffentlichen Interesse erforderlich, sicherzustellen, dass die drittmittelfinanzierte Forschung an öffentlichen Hochschulen nicht die Freiheit der Wissenschaft gefährdet. Wichtigstes Mittel ist hierbei mehr Transparenz: Dazu gehört zum einen die Einbeziehung von Hochschulen ins Informationsfreiheitsgesetz und zum anderen auch eine proaktive Offenlegung von Kooperationsverträgen (siehe dazu auch bereits 2012 die Entschließung der 24. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten zur Offenlegung von Kooperationsverträgen). Niedersachsen hat hierbei mit den “Leitlinien zur Transparenz in der Forschung” einen guten Weg aufgezeigt, der nun nicht enden sollte beim NIZG mit Bereichsausnahmen.
Aber auch Gerichtsurteile werden weiterhin nicht kostenfrei verfügbar oder anfragbar sein, solange kein Informationsregister eingerichtet worden ist, denn Gerichte sind nach dem Entwurf des NIZG ausgenommen (§3 Abs. 3 Satz 3 u. §12 Abs. 3). Der Verfassungsschutz ist vollständig ausgenommen (§3 Abs. 3). Dies ist nicht nachzuvollziehen. Alleine schon über die Ausnahmetatbestände ist sichergestellt, dass der Verfassungsschutz keine sicherheitsrelevanten Informationen herausgeben muss. Die öffentliche Kontrolle der Nachrichtendienste wird so weiter erschwert.
Ebenso sollten Unternehmen, wenn diese mit dem Land Niedersachsen Verträge geschlossen haben, unter die Auskunftspflicht fallen, insbesondere Unternehmen der Daseinsvorsorge – nicht erst mit der Einrichtung des Informationsregisters (§12 Abs. 3).
Sparkassen, die in öffentlicher Hand liegen, und die Landesbanken, sollten unter Berücksichtigung des Datenschutzes zur Herausgabe von Daten verpflichtet sein.
Schließlich sind die berufsständischen Kammern überhaupt nicht gelistet. Es war immer wieder zu beobachten, dass die Kammern sich den Transparenzpflichten der Informationsfreiheitsgesetze widersetzen. Die Kammern nehmen hoheitliche Aufgaben auf der Bundesebene sowie auf der Landesebene wahr. Für die jeweiligen Berufsgruppen besteht eine gesetzliche Pflicht zur Mitgliedschaft in den Kammern. Die Kammern sind für die Berufszulassungen zuständig und haben oftmals weitgehende Sanktionsmöglichkeiten. Gerade das Beispiel in Hamburg nach der Wahl des Plenums zeigt, welches Bedürfnis nach Transparenz durch die Mitglieder notwendig ist.
Abwägung und Ausnahmetatbestände
Der Entwurf sieht keine Abwägung für viele Ausnahmetatbestände vor. Enthalten Dokumente etwa Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, dürfen diese nicht offenbart werden – selbst wenn das öffentliche Interesse an ihnen höher wäre als das schutzwürdige Interesse von Unternehmen. Eine Abwägungsklausel im Gesetz sorgt dafür, dass die entgegenstehenden Interessen (Geheimhaltungsinteresse und Informationsinteresse) gegeneinander abgewogen werden müssen. Idealerweise sollte dem Informationsinteresse grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden – siehe hierzu das IFG in Schleswig-Holstein. Das Gesetz sollte den Behörden ermöglichen, zugunsten des Informationsinteresses zu entscheiden. Hierzu ist eine gut formulierte Abwägungsklausel hilfreich. Dazu verweisen wir auf das Hamburg, Bremen und Rheinland-Pfalz IFG
Derzeit würden nach dem Entwurf bei vielen Dokumenten, die im Zusammenhang mit dem in Niedersachsen beheimateten Konzern Volkswagen stehen, nicht veröffentlicht werden.
Landesbeauftragte für den Datenschutz / Informationsfreiheit Niedersachsen
Die Einhaltung des IFG ist durch einen Informationsfreiheitsbeauftragten hier die bisherige Datenschutzbeauftragte, an den sich jeder beschwerdeführend wenden kann, zu überwachen (§13). Hierbei sollten auch entsprechende Kapazitäten geschaffen werden, um eine effektive Überwachung zu ermöglichen. Bei einem Vergleich mit anderen Bundesländern hat sich gezeigt, dass die personelle Ausstattung zu niedrig ist, daher muss in Niedersachsen die Ausstattung deutlich höher sein als im Vergleich zu anderen Bundesländern (vgl. Otto-Brenner-Stiftung Arbeitspapier 23, Informationsfreiheit – Mehr Transparenz für die Demokratie, S. 45 ff.).
Ebenso sollte bei Nicht-Tätigkeit der Behörden hinsichtlich einer fehlenden Beantwortung entsprechende Sanktionsmöglichkeiten bestehen. Dazu gehören Beanstandungsrechte und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den auskunftspflichtigen Stellen, wenn er oder sie einen Verstoß gegen das entsprechende Gesetz feststellt, insbesondere eine zu Unrecht ergangene Ablehnung eines Antrags.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Landesbeauftragte entsprechende Klagerechte erhält, um strittige Fälle vor Gericht klären zu lassen.
Zusammenfassung
MD, OKFN und TI-D begrüßen den Vorschlag, nun auch in Niedersachsen ein Landes- Informationsfreiheitsgesetz mit dem Namen NIZG einzuführen. Der Entwurf ist jedoch ungenügend. Wir würden uns freuen, wenn das Parlament die Kriterien des im März 2017 veröffentlichten Transparenzrankings berücksichtigt. Mehr unter: https://transparenzranking.de/laender/niedersachsen/
Unsere Punkte zusammengefasst:
- Die Antragstellung sollte auch ohne Nennung einer Identität, also anonym bzw. mit einem Pseudonym möglich sein.
- Grundsätzlich sollten Anfragen kostenfrei sein, unsere Mindestforderung ist die Einführung einer Gebührenobergrenze von maximal 500 Euro. Falls Kosten anfallen sollten, müssen sie schon vorher genannt werden. Für Ablehnungsbescheide dürfen keine Gebühren erhoben werden.
- Mittels elektronischer Kommunikation sollten die Kosten für Auslagen und Portopauschale auf ein Minimum reduziert werden.
- Ein Transparenzportal nach dem Hamburger Vorbild mit einer aktiven Informationsbereitstellung sollte vorangetrieben werden. Hierbei sollten die Daten in einem maschinenlesbaren Format bereitgestellt werden.
- Kommunen sollten nicht ausgenommen werden, sondern bereits mit dem NIZG erfasst werden. Mehr Demokratie e.V., Landesverband Niedersachsen, nimmt hierzu eine abweichende Position ein.
- Reduzierung der Bereichsausnahmen auf ein Mindestmaß, so sollen Landtag, Hochschulen, Landesrechnungshof, Rundfunkanstalten, Gerichte und Finanzbehörden nicht ausgenommen werden. Insbesondere Stiftungshochschulen sollten auch vollständig unter das NIZG fallen. Kammern, Sparkassen in öffentlicher Hand und Landesbanken müssen unter das NIZG fallen.
Ausnahmen von der Informationspflicht müssen eng und klar definiert und nachvollziehbar begründet sein.
- Ausnahmen, zum Beispiel der Schutz besonderer öffentlicher Belange sowie personenbezogener Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, sind eng und nur unter Abwägung mit ggf. höherrangigen Rechten zuzulassen. Ausnahmen von der Informationspflicht müssen eng und klar definiert und nachvollziehbar begründet werden.
- Verträge, die mit dem Land Niedersachsen geschlossen worden sind, sollten veröffentlicht werden.
- Die zukünftige Landesbeauftragte für die Informationsfreiheit sollte über entsprechende personelle Ausstattung verfügen, um eine effektive Überwachung vornehmen zu können sowie Sanktionsmöglichkeiten und Beanstandungsrechte. Um strittige Fälle klären zu lassen, wäre ein Klagerecht möglich.
Weiteres unter:
https://bremen-nds.mehr-demokratie.de/nds-informationsfreiheit.html https://fragdenstaat.de/hilfe/ifg/ https://www.transparency.de/Informationsfreiheit.85.0.html
Stellungnahme hier als PDF downloaden.